17.09.2023
Jede Geschichte, die wir erleben, verändert uns – ob als Autor oder als Leser. Geschichten sollen die Fantasie beflügeln, sollen Bilder im Kopf erzeugen und uns Menschen in ihren Bann ziehen, uns so richtig mitreissen – von himmelhoch über die Wolken bis tief hinab in den Kaninchenbau. Und das Allerwichtigste: eine Geschichte sollte erzählt werden. Deshalb ist es eine Geschichte. Deshalb ist sie als Roman verfasst und in Buchform gespeichert. Damit sie gelesen werden kann und unser Gehirn sie in eine Welt transformiert, die für jeden Leser ein persönliches, einzigartiges Erlebnis schafft. Ein Erlebnis, bei dem die entstehenden Emotionen für einen kurzen Augenblick Realität sein dürfen und wir Liebe, Hass, Spannung, Fröhlichkeit, Witz und aufkommende Tränen spüren, als wären wir selbst Teil des Geschehens.
Um dies erfolgreich gelingen zu lassen, werden neue und bestehende Autoren mit Unmengen an Ratgebern und Regelwerken versorgt. Einige davon habe ich aufmerksam studiert und bedanke mich hier an dieser Stelle bei den Verfassern, denn darin steckt unglaublich viel Arbeit. Ich für meinen Teil stehe Regeln jedoch eher kritisch gegenüber und was Ratschläge anbelangt, erwische ich mich regelmäßig dabei, sie bewusst zu ignorieren. Was daraus resultiert, ist oftmals mit hohem Aufwand und mehreren Lerniterationen verbunden. Man macht auf diese Weise viele harte und durchaus auch schmerzhafte Erfahrungen, aber dafür: seine eigenen. Würde das Muster meines persönlichen Dunning-Kruger-Effekts (auch genannt: Mount Stupid) zwischen zwei Holzgriffe eingespannt, ließe sich damit mühelos ein Baum von stattlicher Stammdicke fällen.
Und hier verzeihen Sie mir bitte ein kleines Augenzwinkern. Es ist natürlich immer eine Gratwanderung, in welchem Moment Zuhören und Lernen die bessere Strategie ist und wann man gut daran tut, den Ansichten anderer – vor allem des Mainstreams – zu entwachsen und selbst zu denken. Will man Neues erschaffen, orientiert man sich wohl besser nicht zu stark an Bestehendem. Zwanghaft neu sein zu wollen kann sich aber genauso als der berüchtigte Schuss herausstellen, der nach hinten losgeht.
Als ich in meinem Umfeld bekanntgab, dass ich ein Buch schreibe, bin ich mehrfach mit der für mich abstrusen Frage konfrontiert worden, ob es eine Autobiografie sei. Dazu kann ich nur sagen, dass, obwohl jeder Mensch mit Sicherheit eine spannende, interessante und auch komplexe Geschichte vorzuweisen hat, ich doch daran interessiert bin, dass jemand mein Buch liest. Wer würde denn unser aller Autobiografien und Memoiren lesen wollen? Natürlich hat jeder von uns unglaublich viel zu erzählen, auch berechtigterweise, wer aber keine Berühmtheit ist oder keinen Bezug zu einschneidenden Ereignissen der Menschheitsgeschichte hat, der kann sich den Aufwand einer Autobiografie sparen – außer er schreibt sie für sich selbst. Und hier kommen die Geschichten ins Spiel. Persönliche Erlebnisse und die dazugehörigen Emotionen, die uns prägen, lassen sich ohne weiteres auch wunderbar in eine Geschichte einflechten und so auf kreative Weise zu den Menschen transportieren. Kann es denn etwas Schöneres geben, als seine Erfahrungen, Philosophien und Träume in ein fiktives, fantastisches Universum einzubetten und diese selbst erschaffene Version des Wunderlands mit anderen zu teilen?
Ja, Geschichten sollten erzählt werden, und zwar formuliert in den eigenen Worten, gewürzt mit den eigenen Unzulänglichkeiten und geschöpft aus dem, was Michael Ende in seiner unendlichen Geschichte als ‚Phantásien‘ bezeichnet hat: der eigenen Vorstellungskraft.
Viel Spaß!
Ach ja! Die Teufelszunge, auch Tränenbaum genannt, ist eine krautige Pflanze, deren Knolle Konnyaku vor allem in Japan in der Lebensmittelindustrie genutzt wird. Sie besitzt – wie Regeln und Ratschläge auch – viele nützliche Eigenschaften, ist gesund und bekömmlich, enthält aber sehr wenig Nahrungsenergie, ist nahezu geschmacksneutral und: Man kann daran ersticken.
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